Ist nachhaltiges Investieren wirklich nachhaltig?

Investitionen nach ESG-Kriterien können lukrative Geldanlagen sein.

Bis vor einiger Zeit haben sog. grüne oder nachhaltige Geldanlagen eine Art Schattendasein geführt, mittlerweile jedoch ist nachhaltiges Investieren nach ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) eher die neue Norm. Neben dem guten Gefühl, in ethisch, ökologisch, ökonomisch, sozial und kulturell nachhaltig wirtschaftende Unternehmen investiert zu sein, sind solche Investitionen auch unter Renditegesichtspunkten sinnvoll (gewesen). Die ESG-Kriterien sollen eine bedeutende Rolle bei der Erreichung der 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (sustainable development goals – SDGs) spielen, die Themengebiete wie Armut, Ungleichheit, Gesundheit, Bildung, Umwelt und Klima, Frieden und Gerechtigkeit umfassen. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten, selbst wenn die Sonne sehr hoch steht und die Schatten deshalb recht klein sind. Es geht um die Gretchenfrage:

Was ist nachhaltig?

Für Berater*innen ergibt sich in der Beratung die Notwendigkeit, Kunden*innen über die SDGs zu unterrichten und sie zu befragen, in welcher Art und Weise diese bei ihren Investitionen zu berücksichtigen seien. Die Erfahrung lehrt, dass die Antworten immer gleich lauten, natürlich sollen, wenn nur irgendwie möglich, mit den eigenen Investitionen die SDGs gefördert werden. Niemand befürwortet Kinderarbeit oder Tierversuche! Und bei der Vielzahl der gegenwärtig angebotenen Investmentfonds und deren sehr respektablen Renditen der Vergangenheit gibt es auch keine ernsthaften Einschränkungen bei der Anlage. 

Nur, ganz so einfach ist es dann doch nicht. 

Die 17 SDGs der Vereinten Nationen werden manchmal wie gottgegebene Ziele betrachtet, dabei sind sie von Menschen formuliert worden, nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Und so ergeben sich in der Realisierung dieser SDGs alle jene Probleme, die aus den Unzulänglichkeiten menschlichen Handelns entstehen. 

Da ist das Problem der Transparenz der Mittelverwendung. Wie kann sicher gestellt werden, dass die investierten Gelder wirklich zur Erzielung der SDGs eingesetzt werden und zu einer nachhaltigen Entwicklung führen? Es besteht die Gefahr des sog. Greenwashing – Unternehmen stellen sich als besonders nachhaltig wirtschaftende Unternehmen dar, um Investitionen anzuziehen, ohne tatsächlich substanzielle Nachhaltigkeitspraktiken zu implementieren. Und wie kann der Einfluss dieser Investitionen auf die Verwirklichung der SDGs gemessen werden? Es gibt hierfür keine definierten, von allen Marktteilnehmern akzeptierten Standards. Bisher stellt jede Fondsgesellschaft einen eigenen Kriterien- und Maßnahmenkatalog auf, die Bewertungen sind oft uneinheitlich und durchaus subjektiv gefärbt. Fakt ist zudem, dass die Implementierung und Überwachung von ESG-Kriterien umfangreiche Ressourcen erfordert, sowohl auf Seiten der Unternehmen als auch auf Seiten der Fondsgesellschaften. Sie sind deshalb mit hohen Kosten verbunden, was die Effizienz und Rentabilität solcher Investitionen beeinträchtigen kann. Zudem können sich persönliche Meinungen und Ansichten zu Nachhaltigkeitskriterien ändern. Waren Atomkraft und Rüstung im Jahre 2021 absolut tabu, so hat sich die Einstellung vieler Menschen zu diesen beiden Themen innerhalb der letzten Jahre durchaus geändert. Und zu dem Fonds terrAssisi, der seit mehr als 20 Jahren nach (wirtschaftsrelevanten) ethischen Leitlinien des Franziskanerordens gemanagt wird, lautete die Aussage einer Anlegerin, sie lehne die katholische Kirche ab und wolle daher nicht in diesen Fonds investieren.

Tatsächlich werden all diese Punkte keine Hürden auf dem weiteren Weg des nachhaltigen Wirtschaftens sein. Investitionen nach ESG-Kriterien können daher nicht nur für diejenigen, die mit einem guten Gewissen Renditen erwirtschaften wollen, lukrative Geldanlagen sein.